Ein chronisches Ohrgeräusch wird in unserem Gehirn gespeichert wie ein Datensatz auf der Festplatte eines Computers. Es ist daher  mit Medikamenten oder Infusionen nicht mehr behandelbar.  Deshalb wurde Mitte der 90-er Jahre die „RETRAINING-Therapie“  von Pawel Jastrebow  und  Jonathan Hazell entwickelt  und ist heute vor allem im angelsächsischem Raum etabliert.  Im deutschsprachigen Raum wird häufig unter „Retraining-Therapie“  ein rein psychologische Zugang mit „Kognitiver Verhaltens-Therapie“ verstanden.  Wir haben das Psychologenteam  von Dr. Norman Schmid mit an Bord unseres Tinnitus-Zentrums,  überweisen unsere Patienten aber nicht routinemäßig sondern gezielt wenn erforderlich zum Psychologen.

Die  „RETRAINING-Therapie“ besteht aus einer  ausführlichen Aufklärung und Beratung (= Counseling) des Patienten zum Thema Tinnitus und der Anpassung von  Noisern  (= Rauschgenerator). 

Retrainingtherapie

Counseling

Bei dieser Aufklärung geht es  darum, dem Patienten nach entsprechend sorgfältiger  fachärztlicherAbklärung unbegründete Ängste, die durch den Tinnitus verursacht werden,  zu nehmen und eine vernünftige  Vorstellung von der Entstehung seines Tinnitus zu vermitteln.   Solange bewusst oder unbewusst Ängste und  Sorgen durch den Tinnitus verursacht werden, wird das „Limbische System“, unser Gefühlsleben den Tinnitus als gefährlichen Eindringling bewerten und eine erfolgreiche Therapie unmöglich machen.

Der Patient muss wissen, dass in jedem gesunden Innenohr ständig selbstständig Töne und Geräusche produziert werden, und  dass wir um „Stille“ hören zu können auf intakte Filtermechanismen im Bereich der Hörbahn im Gehirn angewiesen sind. Näheres dazu hören sie auf dem MINIMED -Vortrag auf der Home Seite.

Natürlich ist es nicht so einfach, dass man  dem Ausschluss einer Grundkrankheit nur zum Patienten sagen müsste: „Ihr Tinnitus ist völlig harmlos, vergessen Sie ihn einfach!“  Diese Form der Aufklärung ist kein Counseling und führt auch nicht zum Erfolg, denn wenn es für den Patienten so einfach wäre, hätte er ja kein Problem mir dem Tinnitus.  Ganz im Gegenteil: Sätze wie „Damit werden sie leben müssen!“ oder „Da kann man nichts machen, gewöhnen sie sich daran!“  haben viele unserer Patienten schon gehört und sind nur negativ und schädlich. Sie helfen dem Patienten in keiner Weise weiter sondern  fördern die Resignation und die Abwanderung  zur  Scharlatanerie.

Therapie mit NOISERN

Der Noiser ist das zentrale Element der Retraining – Therapie.  Er ähnelt in seiner Form einem kleinen Hörgerät und wird im oder hinter dem Ohr getragen . Er produziert ein sogenanntes „Weisses Rauschen“. Das ist ein weiches, breit-bandiges Geräusch, das alle hörbaren Frequenzen in etwa gleicher Lautstärke enthält.  Es hört sich so ähnlich an wie ein „glattgebügeltes“ fernes Meeresrauschen oder ein Blätterrauschen im Wald.  Auf Grund seiner Charakteristik wird das Noiser-Rauschen  von den meisten Tinnitus-Patienten  als  angenehmer Kontrast zum meist pfeifenden oder singenden Tinnitus empfunden.

Meist reicht eine geringe Lautstärke  des Noisers aus, um dem Tinnitus seine Aggressivität und Schärfe zu nehmen und ihn in den Hintergrund zu drängen.  Der Klang des Noisers  wird von fast allen Patienten mit einem hohen, singenden, pfeifenden oder Sinuston-artigen Tinnitus   als entspannend und positiv wahrgenommen.  Die Phasen, in denen der Tinnitus tagsüber in den Hintergrund rückt und nicht mehr bewusst wahrgenommen wird, nehmen zu.  Abends, nach dem Herausnehmen  der Noiser ist es schon nach ein paar Wochen meistens so, dass der Tinnitus nicht sofort wieder in voller Schärfe einsetzt.

Gemeinsam mit den immer zu treffenden flankierenden Maßnahmen im Schlafzimmerbereich  wie der Installation einer angenehmen Geräuschquelle (hierzu existieren zahlreiche Apps für Smart- oder i-Phone) und dem Erlernen einer mentalen Entspannungstechnik wie dem „Autogenen Training“  gelingt es meist,  auch wieder  Ein-oder Durchschlafprobleme zu beheben.

Tatsächlich erreichen wir bei etwa  80%  unserer Patienten eine rasche Reduktion des Leidensdruckes tagsüber durch den Noiser. Wenn dann auch die Schlafprobleme behoben sind, einerseits weil der Tinnitus auch nach dem Herausnehmen der Geräte leiser bleibt und andrerseits der verbleibende Rest des Tinnitus  von den flankierenden  Maßnahmen im Schlafzimmer (Geräuschkulisse und Autogenes Training) behersscht wird,  hat ein Patient, der im Zustand des  dekompensierten Tinnitus zu uns gekommen ist, einen gut erträglichen „kompensierten“ Zustand erreicht.  Dies bedeutet, dass er ohne wesentliche Einschränkung seiner Lebensqualität mit dem Tinnitus leben kann bzw, ihn über immer längere Abschnitte gar nicht mehr wahrnimmt.

Hörminderung und Tinnitus

Jede Hörminderung , auch wenn sie ganz gering ist oder nur im Hochtonbereich liegt, fördert die Entstehung eines Ohrgeräusches. Die Tinnitusfrequenz liegt fast immer im Bereich der größten Hörminderung. Also gerade dort, wo die „grauen Zellen“ unserer Hörrinde zuwenig „Ansprache“ von draußen haben, entwickeln sie ein Eigenleben, sie verfallen in „synchrone Aktivität“ und produzieren damit einen Tinnitus. Aus diesem Grunde ist es wichtig, jede Hörminderung mit entsprechenden Hörhilfen als Teil einer umfassenden Tinnitusbehandlung zu korrigieren.

Wir haben in unserem Tinnituszentrum frühzeitig begonnen, zusätzlich zum reinen Noiser bei allen Patienten mit klinisch relevanter Hörminderung auch Hörgeräte oder Kombinationsgeräte (= Hörgerät mit integriertem Noiser) einzusetzen. Der Erfolg mit dem Hörgerät ist für Patienten sofort nach dem Einsetzen der Geräte erlebbar. Bereits Sekunden nach dem Einsetzen der Geräte können die meisten Patienten ihren Tinnitus gar nicht mehr oder nur mehr stark abgeschwächt hören.

Erfolgreiche Tinnitus Therapie beruht auf Umschulen (Retraining) des Gehirns und einem Ausgleich der häufig  vorhandenen, aber selten dem Patienten bekannten  Hörschwäche.

Therapie mit  Kombinationsgeräten  (Noiser und Hörgerät)

Der Effekt der Hörgeräte ist zunächst eine Überlagerung des Tinnitus durch die nun wieder hörbar gewordenen Umgebungsgeräusche. Nach dem Herausnehmen der Geräte ist der Tinnitus zunächst gleich wieder hörbar. Aber bereits nach ein paar Wochen ändert sich das Bild: es dauert immer länger, bis das Ohrgeräusch wieder auftritt und es wird auch merklich leiser. Bei einem Teil der Patienten genügt eine spezielle Hörgeräte-Anpassung, um den Tinnitus weitgehend zu unterdrücken. Wenn möglich, erhalten unsere Patienten immer „Kombinationsgeräte“ aus Hörgerät und Rauschgenerator. Wenn sich später einmal herausstellen sollte, dass das Hörgerät alleine zur Unterdrückung des Tinnitus nicht ausreichen sollte, kann der Rauschgenerator eingeschaltet werden und damit eine zweite Therapie-Schiene gegen das Ohrgeräusch aktiviert werden.

Experiment von Heller und Bergmann

Heller und Bergman führten 1953 ein Experiment durch, bei dem sie 80 normalhörende Personen für jeweils 5 Minuten in einem schalldichten Raum plazierten und sie baten, über das Gehörte zu berichten. 93 Prozent berichteten, etwas gehört zu haben, obwohl es in der Kammer völlig still blieb. Das heißt, sie entwickelten bei völliger äußerer Stille innerhalb von 5 Minuten einen Tinnitus.

Tinnituspatienten sollten daher Stille meiden, dies gilt insbesondere für das Schlafzimmer. Auch hier ist ein möglichst angenehmes Hintergrundgeräusch wichtig, um den Kontrast zum Tinnitus abzuschwächen.

Eine mentale Technik, die es erlaubt die Körperwahrnehmung auf Atmung, Herzschlag oder Wärme und Schwere von Armen und Beinen zu fokussieren wie das autogene Training oder Muskelentspannung nach Jacobson verhindern gemeinsam mit der Geräuschkulisse die Tinnituszunahme beim Schlafengehen und in der Nacht.