Antwort: Ja, offiziell ist das auch so. Die Definition des chronischen Tinnitus in den Leitlinien der AWMF (=Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) beginnt mit dem Satz:
„Tinnitus ist ein häufiges Symptom des auditorischen Systems, das insbesondere in Verbindung mit Komorbiditäten zu schwerwiegender Krankheitsbelastung führen kann. Tinnitus ist kein einheitliches Krankheitsbild, sondern kann viele Formen annehmen……“
Das soll bedeuten: Chronischer Tinnitus sei gar keine eigenständige Erkrankung, nur ein Symptom des „auditorischen Systems“ (= Innenohr, Hörnerv, Hörbahn, Hörrinde im Gehirn). Wer allzu sehr darunter leidet, hat Pech gehabt, er hat eben „Komorbiditäten“, das heißt „Zusatzerkrankungen“ wie z.B. eine Depression, ein burn-out, andere Probleme die den Tinnitus erst so unerträglich machen!!!
Das entspricht nicht meiner Erfahrung und ist nicht meine Herangehensweise an das Problem Tinnitus. Natürlich ist „Tinnitus“ kein einheitliches „Krankheitsbild“. Und natürlich kann der Tinnitus das Symptom einer Grundkrankheit sein, die behandelbar ist. Trotzdem verschwindet der Tinnitus deshalb nicht automatisch. Bei den meisten der Tinnitus-PatientInnen finde ich Stress, eine Burnout-Problematik oder eine seelische Kränkung als wahrscheinliche Tinnitus-Ursache.
Und auch bei diesen Patienten ist der Tinnitus selbstverständlich als eine „Krankheit“ zu sehen und zu behandeln, natürlich immer auch im Kontext mit der auslösenden Situation. Aber niemandem ist geholfen, auch keinem Patienten mit chronischen Kopf- oder Rückenschmerzen, wenn ihm der Arzt erklärt, er habe keine Erkrankung, nur ein „Symptom“!